von Dipl. med. Klaus Weißflog, Facharzt für Urologie
15 bis 20% der Partnerschaften bleiben in den Industrieländern ungewollt kinderlos. Das ist sowohl für die Betroffenen als auch die Gesellschaft gravierend, zumal das so genannte einfache Ersatzniveau der Fertilität (Fruchtbarkeit) bei Frauen 2,1 Kinder beträgt, das heißt, diese Geburtenrate benötigen wir, damit unsere Gesellschaft zahlenmäßig stabil bleibt.
Ab der Pubertät ist man fruchtbar, Frauen bis zur Menopause (Wechseljahre) mit einem Maximum um das 20. Lebensjahr und einen Abfall ab etwa dem 35. LJ. Männer sind zeitlebens
fruchtbar, allerdings nehmen auch hier Qualität und Anzahl der Spermien ab. Es scheint so als würde sich die Fertilität in der Bevölkerung seit Jahrzehnten langsam verschlechtern oder untersuchen wir heutzutage nur mehr und genauer? Zu ca. 40% liegen die Ursachen beim Mann, zu 40% bei der Frau und zu 20% bei beiden.
Ursachen sind das Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Drogen, Pestizide und östrogenisierende Substanzen (z. B. per- und polyfluoridierte Chemikalien) bei Mann, aber auch genetische Faktoren und Vorerkrankungen wie Entzündungen (Mumps) oder eine Krampfader (Varicocele). Bei den Frauen die Ovarialinsuffizienz, Entzündungen (siehe auch den Artikel zum Thema sexuell übertragbare Infektionen im Novemberheft) und die Endometriose.
Voraussetzung für eine Schwangerschaft sind eine reife Eizelle und funktionsfähige Spermien. Von einer Infertilität spricht man, wenn nach einem Jahr trotz regelmäßigem Sexualkontakt noch keine Zeugung eingetreten ist. Dann sollte man den Frauenarzt beziehungsweise den Urologen aufsuchen. Wie sieht die Diagnostik aus? Die Vorgeschichte wird erhoben, das Genitale abgetastet, ein Ultraschall der Hoden ist sinnvoll, natürlich die Hormone sowie bestimmte Spurenelemente im Blut und, ganz wichtig, das Spermiogramm.
Bei der Spermiografie werden die Spermien gezählt (man sollte mindestens 40 Millionen pro Ejakulat haben) und ihre Beweglichkeit eingeschätzt, außerdem die Morphologie begutachtet, denn nur gesunde und normal gebaute Spermien sind zeugungsfähig. Abgestorbene werden angefärbt und im Nebenbefund nach Leukozyten und Blut gesucht. Antikörper gegen Spermien können festgestellt und die Fruktose, sozusagen der Betriebstoff der Spermien, bestimmt werden. Sinnvollerweise sollten sich junge Männer eigentlich schon vor der Ehe und dem Kinderwunsch untersuchen lassen, um späteren Problemen vorzubeugen oder sich von vornherein darauf einzustellen.
Keine Angst, auch bei einem mäßigen oder schlechten Ergebnis gibt es Hilfe in Form der homologen Insemination (die Spermien werden mit einer Sonde in die Gebärmutter eingebracht, ihnen also ein Stück Weg abgenommen, denn die Befruchtung erfolgt ja im Eileiter) oder IVF (in vitro Fertilisation, also im Reagenzglas) oder die ICSI, die modernste und sicherste Form. Hierbei werden eine Eizelle und ein Spermium unter dem Mikroskop vereinigt, das heißt das Spermium muss nicht einmal mehr die Eizellmembran überwinden. Bei den beiden letztgenannten Verfahren ist allerdings eine hormonelle Vorbehandlung und Eizellentnahme bei der Frau notwendig.
Also, meine Herrn, nur Mut und einfach mal untersuchen lassen, denn zu insgesamt 50% liegt die Ursache beim starken Geschlecht.
Ihr Urologe und Männerarzt Klaus Weißflog
Veröffentlicht in Landsberger Monatszeitung Dezember 2015